Konfessionelle Geschichtsschreibung im Umfeld der Böhmischen Brüder (1500–1800). Traditionen – Akteure – Praktiken
In den 1460er Jahren konstituierte sich in Böhmen die Brüderunität als eigenständige Kirche mit dem Anspruch, die apostolische Urgemeinde wieder aufzurichten und zugleich Teil der einen universalen Kirche zu sein. In außergewöhnlich dichter Überlieferung dokumentieren die Acta Unitatis Fratrum, von brüderischen Bischöfen des 16. Jahrhunderts angelegte Handschriftenbände, die Entwicklung dieser Glaubensgemeinschaft seit ihren Anfängen. Den Entstehungsbedingungen und Traditionen der brüderischen Geschichtsschreibung, aber auch den Prozessen und Zeugnissen historiographischer Selbstvergewisserung anderer konfessioneller Minderheiten in Ostmitteleuropa vom 16. bis ins 18. Jahrhundert ging eine interdisziplinäre, von der „Deutsch-tschechischen Kommission zur Herausgabe der Acta Unitatis Fratrum“ organisierte Fachtagung in Prag nach. Dabei wurden direkte Traditionszusammenhänge, Analogien und spezifische Unterschiede zwischen der Brüderunität und anderen religiösen Gruppen einschließlich der reformierten Minderheitskirchen, der polnischen und siebenbürgischen Antitrinitarier, der Täufer und der jüdischen Gemeinschaft deutlich. Die Beiträge des Sammelbands thematisieren die institutionellen Voraussetzungen konfessioneller Erinnerungskultur und Traditionsbildung, heils-, kirchen-, und nationalgeschichtliche Konzeptionen sowie einzelne Verfasser und deren kirchengeschichtliche Darstellungen.